Pro und Contra der Pränataldiagnostik

Vermutlich gelangen alle werdenden Eltern irgendwann an den Punkt, sich zu fragen, ob ihr Kind gesund zur Welt kommen wird. Die moderne Medizin, genauer gesagt der Bereich der Humangenetik, hält mit der Pränataldiagnostik eine Reihe spezieller Untersuchungsverfahren bereit, mittels derer bereits in einem relativ frühen Schwangerschaftsstadium nach Hinweisen auf mögliche Chromosomenabweichungen, Fehlbildungen und erblich bedingte Erkrankungen beim Ungeborenen gesucht werden kann.

Dies kann vor allem für Eltern von Interesse sein, bei deren ungeborenem Kind etwa aufgrund bekannter familiärer Erbkrankheiten ein erhöhtes Risiko einer genetisch bedingten Fehlbildung vorliegt. Auch Schwangere im fortgeschrittenen Alter haben nicht selten ein (berechtigtes) Interesse daran zu wissen, ob sich ihr Kind im Mutterleib regelrecht entwickelt. Grundsätzlich aber haben alle werdenden Eltern das Recht und die Möglichkeit, pränataldiagnostische Maßnahmen zu beanspruchen. Bevor sie sich dazu entscheiden, ist es jedoch von großer Wichtigkeit, dass sie sich darüber bewusst sind, welche weitreichenden Konsequenzen aus diesem Schritt resultieren können.

Folgende Fragen sollten angehende Mütter und Väter sich diesbezüglich im Vorfeld stellen:

  1. Wie stehe ich zu Behinderung und Krankheit bzw. zu Schwangerschaftsabbrüchen?
  2. Könnte ich mit einem behinderten Kind leben bzw. mir ein Leben mit einem behinderten Kind vorstellen?
  3. Ist die Partnerschaft bzw. familiäre Situation stabil genug, um den Alltag mit einem behinderten Kind mit all seinen Höhen und Tiefen meistern zu können?

Fakt ist nämlich: Pränataldiagnostische Untersuchungen lassen zwar relativ zuverlässige Aussagen zur Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen kindlicher Entwicklungsstörungen zu, es sind jedoch nur selten vorgeburtliche Therapien möglich. Ebenso ist zu beachten, dass trotz zunehmender Präzision der diagnostischen Methoden stets das Risiko falsch-positiver Befunde besteht. Auch können im Umkehrschluss nicht alle Auffälligkeiten durch die Untersuchungen erkannt sowie die tatsächliche Beeinträchtigung des Babys vorausgesagt werden. Die meisten pränataldiagnostischen Verfahren können erst kurz vor Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels angewandt werden – ein Zeitpunkt, zu dem die meisten Eltern bereits eine enge Bindung zu ihrem ungeborenen Kind aufgebaut haben und dadurch mögliche Untersuchungskonsequenzen umso schwerwiegender erscheinen.

Werden im Zuge der Diagnostik Hinweise auf eine gravierende Behinderung des ungeborenen Kindes deutlich, sehen die betroffenen Eltern sich vor die Entscheidung gestellt, ob sie noch weitere Maßnahmen zur Sicherung des Befundes veranlassen möchten und gegebenenfalls, ob die Schwangerschaft fortgeführt oder vorzeitig beendet werden soll. Von Bedeutung ist, sich bewusst zu machen, dass selbst bei sogenannten Risikoschwangerschaften nie gesagt werden kann, dass pränataldiagnostische Untersuchungen sinnvoll sind oder nicht. Dies hängt uneingeschränkt davon ab, welches Ziel die werdenden Eltern mit dieser Entscheidung befolgen. Für wen, ob aus religiösen Gründen oder anderweitigen Grundüberzeugungen, bereits im Vorfeld feststeht, dass ein Schwangerschaftsabbruch unter keinen Umständen in Frage kommt, sollte sich überlegen, ob solch teilweise risikobehaftete Untersuchungen überhaupt sinnvoll sind.

Genau wie Eltern sich zur Pränataldiagnostik aus freiem Willen entscheiden können, liegt es einzig und allein bei ihnen, ob sie, unabhängig vom Grad der diagnostizierten Schädigung ihres Babys, einen Schwangerschaftsabbruch wünschen oder sich dazu entschließen, ihr Kind zu bekommen. Vor diesem Hintergrund sind die Freiwilligkeit zur Ergreifung pränataldiagnostischer Maßnahmen sowie eine umfassende Beratung im Vorfeld unerlässlich und klar geregelt. So gibt das im Jahr 2010 in Kraft getretene Gendiagnostikgesetz (GenDG) vor, dass eine humangenetische Analyse zu medizinischen Zwecken ausschließlich nach schriftlicher Einwilligung der betroffenen Person, in diesem Falle der Kindsmutter, erfolgen darf. Dieser Ermächtigung muss eine umfassende Aufklärung über das Wesen, die Bedeutung und Tragweite der jeweiligen Untersuchung durch den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin vorausgehen und durch diese/n schriftlich dokumentiert werden.

Wozu die Pränataldiagnostik trotz der berechtigten Kritik an ihrem Nutzen zweifelsohne dienen kann, ist die dadurch gewonnene Möglichkeit, sich als Eltern auf eine etwaige gesundheitliche Einschränkung ihres Kindes einzustellen und noch vor der Geburt Maßnahmen zu ergreifen, um die Herausforderungen des Lebens mit einem besonderen Kind von Beginn an gut zu bewältigen.

Es wird deutlich, dass es sich bei der Frage nach dem Einsatz pränataldiagnostischer Untersuchungen um eine ganz individuelle Angelegenheit handelt, bei der abgesehen von Informationsbereitstellung und unabhängiger Aufklärung kein Dritter ein Anrecht auf Mitsprache hat. Die Eltern haben ein uneingeschränktes Recht auf Nichtwissen!

Neben ihrem/ihrer behandelnden Arzt/Ärztin als Ansprechpartner/in steht den betroffenen Eltern eine kostenfreie psychosoziale Beratung (zum Beispiel von pro familia) zu.